November-Dezember 2007 –
Willgönnen!
Ich stelle mir vor.
Ich stelle mir folgendes vor.
Bin ein österreichischer Autor.
Und eine ausgezeichnete Figur österreichischer Literatur.
Warum auch nicht?
z.B. mein gemütlicher Kollege, unter anderem Lehrbeauftragter an der Karl-Franzens-Universität Graz, schreibt hauptsächlich auf Arabisch [seine Frau (Arabistin) übersetzt ihn] und ist österreichischer Schriftsteller – Tarek Eltayeb. Arabischer immerhin auch. Österreichisch-arabischer. Sohn sudanesischer Eltern, geboren in Kairo, lebt in Wien. Und zu allem anderen mit „Elias Canetti Stipendium der Stadt Wien 2005“ ausgezeichnet. (Elias Canetti war bekanntlich erster Nabl-Preis-Träger – beiläufig gesagt – Literaturpreis-der-Stadt-Graz-Träger)
Auch mein Stadtschreiber-Stipendium der Stadt Graz ist österreichische Auszeichnung. Mich übertragen kann meine Frau (Germanistin), die mir auch bei Übertragung aus der Lyrik unter anderem von Tarek Eltayeb behilflich ist und (apropos) den ausgezeichneten Roman „Alle Tage“ von neuster Nabl-Preis-Trägerin Terezia Mora übersetzt hatte. Und diese deutschsprachige Schriftstellerin ist [Bemerkung am Rande] ungarischer Herkunft.
Meine Herkunft ist sozusagen österreichisch-ungarisch. Alle meine Großeltern waren im Königreich (oder Kronland) Galizien (und Lodomerien) als Angehörige der Habsburger Monarchie geboren. Und Urgroßeltern auch. Obwohl Staatsangehörigkeit nicht zu viel zu sagen hat [in Klammern lassen wir, dass der süße Kaiser meinen Urgroßvater in den Tod getrieben hatte (s. Hommage UROPA)]. Bei Geburt meiner Eltern war Galizien unter dem polnischen Regime, und bei meiner Geburt spielte Sowjetunion die Rolle „der Hebamme“. Trotzdem bin ich Sohn von ukrainischen Eltern, Ukrainischlehrern, und ukrainischer Dichter. Ich lebe derweil in Österreich und versuche auf Deutsch zu schreiben.
Ich bin weit entfernt davon zu glauben, dass mein Deutsch in nächster Nähe zum Gipfel der Vollkommenheit ist. Auf Kompliment – ich spreche angeblich perfekt deutsch, kann ich selbstironisch nur folgendes antworten: nicht perfekt, aber „ausgezeichnet“.
Warum gebe ich mir mit der Fremdsprache Mühe? Und was für einen langmütigen Leser darf ich dann erhoffen?! Und was kann ich /bin ich fähig/ mit meinen dürftigen Deutschkenntnissen und -fertigkeiten in die österreichische Literatur mit/zu/bringen!
Poeta semper tiro. Und ein Neuling kann leicht zum Neuerer (Bahnbrecher, oder Wahnfrecher) werden. Und zwar – zu einem Neuwortschöpfer. Mein Bekannter aus der Schweiz Ansgar Snettlage, Ukraine-Fan, der Ukrainisch vielleicht ungefähr so wie ich Deutsch /mir als dem Deutschkenner ähnlich/ kann, fragte mich einmal in Wien (nach der von ihm organisierten Ukraine-Demo) während der ukrainischen Orangerevolution: ein Mensch, der auf dem Unabhängigkeits-Platz – auf dem „Majdan“ – manifestiert, heißt er „Majdanez’“? Ich finde das sprachlich gut gefunden (bentrovato! – e vero!) und richtig.
Nun muss ich mich rechtfertigen wegen der nächsten Binsenweisheit (von Zeit zu Zeit aber muss man sich an Tatsachen erinnern, die offensichtlich aussehen): jede Sprache hat eigene ganz übliche Wort-[-verbindungs-]-bildung, die – wortwörtlich in eine andere Sprache übertragen – wieder metaphorisch-bildlich klingen könnte. Manchmal braucht man nur ein frisches 😉 Auge.
Manchmal braucht ein Schriftsteller einen (mindestens) Leser, der ihm über das Geschriebene die Augen öffnet. Ich bin dieser eine Leser zugleich, manchmal. Lesen kann ich nicht zu viel, weil Wirkung des Lesens kaum alkoholfrei wird. Unter verschiedensten „geistigen Getränken“ sind Wörterbücher meine Lieblingslektüre. Der Rausch ist für mich optimal geistig.
Schreibend sowieso in der Sprache, die mir noch nicht genug zahm ist, freue ich mich als echter (wie es im Buch steht – angeborener) Philologe über und auf glückliche Gelegenheit: durchzusuchen – wie Wörter im Wörterbuch stehen. Solche Methode ist unzureichend um ganzes Erbe von einem gewissen „Volker Sprachschöpfer“ erfolgreich zu begreifen, aber ergreifend reif um zuzugreifen. Lesespaß ist Lesespaß.
ZUG(UZ)
eben – zugeben,
zugreifen – Reifen,
Leich – zugleich – Leich,
Reifen – zugreifen,
zugeben – eben.
Obenangeführtes Gedicht hatte ich noch vor drei Jahren „geschaffen“, eigentlich von einem deutschen Wörterbuch abgeschrieben, und bis heute bin ich nicht sicher, vielleicht stammt derselbe Zug aus der Feder jemandes noch.
[Pause] [Pause] [Pause]
Pausen werde ich pausen